Ein anderes anschauliches Beispiel für die Sünden an der Natur
findet sich im Herzen des Deltas bei den Sanddünen von Caraorman,
die heute als Naturdenkmal streng geschützt sind. Haushohe
Sanddünen und ein einzigartiges Urwaldgebiet breiten sich hinter
dem alten Dorf Caraorman aus. Ein schnurgerader, auffallend
breiter Kanal führt vom Sulinaarm zu dem Dünengebiet.
Riesige Industrieminen
und halbfertige Wohnblocks verstellen den Blick auf das
langgestreckte Straßendorf. Hier hatte Ceausescu ein Kombinat zur
Gewinnung von Kristallen und Gold bauen lassen. Die Sanddünen
sollten abgetragen und der Sand in den großen Anlagen ausgewaschen
werden. Der Kanal wurde so breit angelegt, damit die
Fließgeschwindigkeit des Wassers sich stark erhöhte und für die
Auswaschung des Sandes genutzt werden konnte. Am Ende wäre hier
statt der Sanddünen ein 40 Meter tiefer Krater übriggeblieben. Der
schnellere Lauf des Kanalwassers hat bereits erhebliche Schäden
verursacht: Der Kanal mündet in eine Seenplatte, die wiederum mit
einem Ausfluß ins Schwarze Meer versehen wurde.
Wenige Jahre nach
Eröffnung des Kanals waren die Seen stark versandet und
verschlammt und verlandeten zunehmend. Der Fischbestand war
bedrohlich zurückgegangen, viele andere Tiere hatten das Gebiet
verlassen.
Am liebsten würden die
Fischer die Ökopolizisten, die seit einigen Jahren über die Einhaltung
der Näturschutzbestimmungen im Donaudelta wachen, über den Haufen
schießen. Der Umstand, daß es den Dorfbewohnern seit einiger Zeit
verboten ist, im Wald ihr Brennholz zu schlagen, wie sie es seit
Menschengedenken gewohnt sind, schürt ihre Wut noch mehr
Seit 1990 setzt
sich das WWF-Auen-Institut fuer das Donaudelta, das zweitgrösste
Feuchtgebiet Europas ein. Ziel ist es, trockengelegte Auengebiete
wieder an den Fluss anzubinden und so zu renaturieren.
Mittlerweile sind die Erfolge nicht mehr zu übersehen: Wo es vor
den Renaturierungen nur noch eine Fischart gab, tummeln sich heute
wieder über zwanzig. Und besonders bei den Kleintieren entdeckten
die WWF-Mitarbeiter eine erstaunliche Vielfalt.
Das
Mündungsgebiet der Donau ins Schwarze Meer ist für seine
Artenfülle bekannt. Touristen geniessen den Anblick von Reihern,
Pelikanen und Adlern. Insgesamt wurden dort über 300 Vogelarten
erfasst. Mit etwas Glück stösst man auf einen Fischotter oder
sogar einen Nerz. Doch auf rumänischer Seite waren seit den
sechziger Jahren fast 40 000 Hektar dieser einmaligen
Feuchtgebiete eingedeicht worden, um sie landwirtschaftlich zu
nutzen. Durch die Trockenlegung versteppten sie, zahlreiche
Wasserpflanzen und -tiere verschwanden.
Besonders
dramatisch wirkten sich die Eingriffe auf die Fischwelt aus - zu
Beginn der Renaturierungsmassnahmen war der einstige Fischreichtum
in den trockengelegten Flaechen bis auf eine einzige Art
zusammengeschrumpft
Auf Veranlassung des WWF werden diese Flächen seit sechs Jahren
durch gezielte Deichöffnungen wieder ueberflutet. Biologen des WWF und
des rumänischen Donaudelta-Instituts überprüfen regelmässig den Erfolg
der Massnahmen. Bei diesen Untersuchungen konnten sie jetzt den hohen
ökologischen Wert der renaturierten Flächen bestätigen. "Die Tiere,
deren Lebensraum damals zerstört wurde, sind erstaunlich schnell wieder
zurückgekehrt", stellte der Zoologe des WWF-Auen-Instituts, Dr. Eckbert
Schneider fest.
Donau-Engpass (Clisura Dunarii)
Rumänien verfügt über den längsten Donauabschnitt sowie die
Mündung ins Schwarze Meer. Nachdem die Donau in Bazias rumänischen Boden
erreicht, entwickelt sie auf zirka 100 km eine ihrer schönsten Strecken,
einen Engpass zwischen dem Balkan-Gebirge und den Karpaten, den
sogenannten Kleinen und Großen Kessel. Die Felsen erheben sich langsam
in die Höhe, und die Landschaft gewinnt an Schönheit. Der Höhepunkt ist
bei Kilometer 973,8 erreicht, sobald die Donau den „Großen Kessel“
(Cazanele Mari) und den „Kleinen Kessel“ (Cazanele Mici) passiert hat.
Das Wasser „kocht“, während die knapp 200 m hohen Wände an manchen
Stellen über dem Wasser schweben. Entlang der gesamten Länge des
rumänischen Ufers befindet sich der Naturpark „Eisernes Tor“. Sobald man
das Kloster sieht, ist der in den Felsen geschnittene Riesenkopf des
Dakenkönigs Decebal nicht mehr weit. Die Landschaft bleibt weiterhin
malerisch, bis zum Staudamm Eisernes Tor. Die Straße verläuft direkt am
Donauufer entlang und bietet dem Fahrer einen wunderschönen Blick auf
die malerische, abwechslungsreiche Donaulandschaft. Die touristische
Infrastruktur entlang des rumänischen Donauufers, von Bazias bis nach
Orsova, hat sich weiter entwickelt und bietet genügend Unterkunfts- und
Verpflegungsmöglichkeiten an
Donau-Engpass (Clisura Dunarii)
Erwartungsgemäss wird dem Tourismus in
diesem Programm grösste Bedeutung geschenkt. Dies in Anbetracht der
grossen Möglichkeiten, die sich für den Ferien- und Reisebetrieb bieten
und die bisher nur zaghaft genutzt worden sind. Denn trotz der
ökonomischen Erschliessung des Deltas - zu landwirtschaftlichen Zwecken,
für die Futterwirtschaft, Obst- und Weinbau, Viehzucht usw. - bleiben
zwei Drittel der mehr als 4500 Quadratkilometer grossen Fläche weiterhin
Naturschutzgebiet, also unberührt. Diese riesige Fläche bleibt
ausschliesslich der Wissenschaft und für Erholungszwecke vorbehalten
Dazu gehört
auch Sulina, das kleine, reizvolle Hafenstädtchen an der Mündung
des gleichnamigen Donauarms ins Meer. Der breite Strand und das
Entstehen eines neuen Sees in Stadtnähe sowie die vielen
Ausflugsmöglichkeiten haben Sulina in letzter Zeit für Touristen
immer attraktiver gemacht. Deshalb wird hier noch bis 1987 ein
Touristen-Hafen gebaut, schon im nächsten Jahr ein Hotel den
Betrieb aufnehmen und ein Camping eingerichtet. Verschidene
Sportplätze und andere Freizeitanlagen vervollständigen den
modernen Erholungskomplex. 1986 werden wir unsere Aufmerksamkeit
auch Chilia Veche, einer vielbesuchten Ortschaft am oberen
Donauarm, widmen. Für den Anfang sind ein Camping samt Gaststätte
geplant, worauf ein Hotel folgen wird.
Von hier aus bieten sich nämlich
ausgezeichnete Ausflugsmöglichkeiten in eine der abgelegensten
Seenlandschaften mit reichem Vogelbestand und selbst zum
entfernten Letea-Wald. Schliesslich wird auch die Umwandlung des
Fischerdorfes Crisan zu einem Erholungsort angestrebt.
Das Donau-Delta bildet den östlichsten
Teil Rumäniens (45° nördlicher Breite und 29° östlicher Länge). Es
hat eine Gesamtoberfläche von 5640 km², davon 4340 km² auf
rumänischem Territorium. Mit anderen Deltamündungen in Europa
verglichen, liegt das Donau-Delta, was seine Grösse anbelangt,
nach dem Wolga-Delta (18000 km²) an zweiter Stelle. Durch
Ablagerung vergrössert sich das Land jährlich um drei bis vier
Hektar.